Page 24 - Alsterrundschau Oktober 2017
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Seite 24 Buchtipp Alster Rundschau
Faszinierende Fälle aus der Rechtsmedizin
Tote schweigen nicht
Professor Klaus Püschel bringt die Toten der Heidlohstraße über eine Mörderjagd im
ein letztes Mal zum Sprechen. Der Direktor Wassermannpark bis zur Messerstecherei am
des Instituts für Rechtsmedizin am UKE Roman-Zeller-Platz ist der Stadtteil schon einige
verwandelt Körperspuren in Beweis- Male zum Schauplatz für Püschels Fälle gewor-
mittel, die einem Mordfall plötzlich den. Ebenso wie sein Arbeitsort Eppendorf. Der
eine neue Wendung geben können. Stadtteil machte jüngst durch einen Mord in der
Eine Auswahl seiner spannends- Goernestraße Schlagzeilen, wo ein Mann am
ten Fälle hat er in einem Buch 20. August im Treppenhaus erschossen wurde.
zusammengetragen. Gerade Im Oktober 2016 tötete ein Vermieter in der
wegen seines Jobs liebt der Erikastraße seinen Mieter mit Hammerschlägen.
Rechtsmediziner das Le- Einen Einblick in seine Arbeit gibt Klaus Pü-
ben und findet: „Der Tod schel in „Tote schweigen nicht. Faszinierende Fälle
gehört in die Mitte der aus der Rechtsmedizin“, erschienen im Ellert und
Gesellschaft.“ Richter Verlag. Neben vielen Fällen aus Püschels
Berufsalltag schildert er in einem Vorwort, was
„Klaus, hast Du wieder Rechtsmedizin eigentlich umfasst und welche
einen interessanten Fall?“ Faszination diese ausübt. Hier geht es ebenso um
Diese Frage hört Klaus die Urangst vieler Menschen vor dem Scheintod
Püschel zu seiner Freude und davor, lebendig begraben zu werden – diese
oft von seinen Kindern motivierte letztendlich zu Püschels Fach. Mit
und Enkeln. „Der Tod zahlreichen Klischees des Gerichtsmediziners
gehört in die Mitte der wie dem des einsamen Kämpfers für Recht und
Gesellschaft“, findet der Ordnung oder dem verschrobenen Superhirn
international renommier- räumt der Autor gründlich auf. Und eröffnet
te Direktor des Hamburger gleichzeitig ganz neue Facetten dieses Berufs,
Instituts für Rechtsmedizin. der regelmäßig auch bei Versicherungsbetrügen,
Klaus Püschel hat so viele in- Naturkatastrophen wie dem Tsunami im Dezem-
teressante Fälle, dass er bald ein ber 2004 oder viele Jahrzehnte zurückliegenden
zweites Buch mit ihnen füllen wird. Todesfällen unabdingbar ist.
Beispiel Uwe Barschel Weit über Hamburg hinaus
Dazu gehören der mysteriöse Tod des Das Wirkungsgebiet von Klaus Püschel zieht
Politikers Uwe Barschel, die von ihrer Mutter Kreise weit über Hamburg hinaus: So unterstützt
getötete kleine Yagmur, aber auch Moorleichen der Rechtsmediziner seit mehreren Jahren das
oder NS-Opfer aus dem Zweiten Weltkrieg. In sein ostafrikanische Land Ruanda beim Aufbau einer
Büro, vollgestopft mit Akten und dem Totenschädel funktionierenden Justiz. Denn die Rechtsmedizin,
von Klaus Störtebecker, kommt der 65-Jährige so Püschel, sei eine der wichtigsten Disziplinen,
direkt aus dem Gericht, wo er einen Angeklagten um einen Rechtsstaat langfristig zu gestalten.
untersucht hat: „Die Untersuchung von Lebenden
spielt eine genauso große Rolle wie die der Toten. Deutscher Buchhandlungspreis 2017
Das wissen die meisten nicht.“ Denn das Bild des
Rechtsmediziners sei, auch dank Krimi-Serien wie
„Tatort“, unvollständig. „Kein Fach ist so leben-
dig wie die Rechtsmedizin“, schwärmt Püschel,
dessen steile Karriere er einem Zufall verdankt:
Als angehender Sportmediziner faszinierte ihn
der Besuch einer rechtsmedizinischen Vorlesung
so sehr, dass er dachte: „Das könnte Dir doch
auch Spaß machen!“ Der eigenen Endlichkeit ist
er sich im täglichen Kontakt mit dem Tod ganz
besonders bewusst: „Aber das macht mich nicht
depressiv, sondern sehr lebensbejahend.“ Den
Toten ihre Würde zu geben und ihre Angehörigen
beruhigen zu können, etwa weil der Verstorbene
nicht gelitten hat, sind weitere Anliegen des
Mediziners. Im heimischen Schnelsen genießt
Püschel das Grün beim Joggen, Fahrradfahren, Am 31. August wurde die Buchhandlung Lüders,
Tennisspielen, Reiten und Imkern. Heussweg 33, Eimsbüttel von der Staatsmini-
sterin für Kultur und Medien, Frau Prof. Moni-
Die Idylle täuscht ka Grütters, in der Kategorie "Hervorragende
Buchhandlung - Ausgezeichneter Ort der Kultur"
Doch auch am grünen Rand Hamburgs ist mit dem Bundesdeutschen Buchhandlungspreis
die Idylle trügerisch: Von der Schießerei in 2017 ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch!