Page 26 - Alsterrundschau Februar/März 2017
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Seite 26 Gesundheit & Wohlbefinden Alster Rundschau
Jährlich stürzt ein Jumbojet in die Alster
und niemand regt sich auf
Interview mit Priv.-Doz. Dr. med. Boris Brand, Regionalbeauftragter Stiftung Lebensblicke
Redaktion: die gesetzliche Vor- In den vergangenen Jahren hat so nur Ist das Wissen zum Thema umgesetzt. Beim Darm vermute ich
sorgedarmspiegelung ab dem 55. ein kleiner Teil der Berechtigten das Darmkrebsvorsorge denn noch zu auch ein spezifisches Imageproblem
Lebensjahr gibt es ja schon seit dem Vorsorgeangebot angenommen. gering? mit dem Organ. Im Freundeskreis von
Jahr 2002. Ist denn ein „Darmkrebs- Warum nehmen die Bürger und Dr. Brand: Die moderne Medizin der letzten Herzkatheter-Untersu-
monat MÄRZ“ zu diesem Thema Bürgerinnen nicht teil? bietet ein Bündel effektiver Vorsorge- chung zu erzählen garantiert interes-
immer noch nötig? Dr. Brand: Die Bürgerinnen neh- untersuchungen, die helfen können, sierte Zuhörer, auch andere Körper-
Dr. Brand: Das fragen Sie leider men tatsächlich etwas besser Teil als Gesundheit und Lebensqualität bis ins teile eignen sich dank positivem
10 Jahre zu früh! Derzeit gehen nur die Bürger. Die Motivation der Männer hohes Alter zu erhalten. Das ist den Image, Gestalt, Funktion oder Akustik
etwa 3% der berechtigten Bundesbür- ist leider geringer, so erkranken be- meisten Menschen bekannt. Dieses zur angeregten Unterhaltung. Nun aber
ger pro Jahr zur Darmkrebs-Vorsorge. sonders oft Männer an Darmkrebs. Wissen wird aber oft nicht in Handlung - der Darm?
Warum ist denn die Darmkrebs-
vorsorge so effektiv?
Dr. Brand: Vorsorge ist immer
dann effektiv, wenn die Risikogruppe
gut definiert ist und effektive Vorsor-
gemethoden verfügbar sind. Men-
schen ab 50 J. haben häufig Polypen.
Diese wachsen über viele Jahre und
können bei Darmspiegelungen sicher
entfernt werden, bevor Krebs aus-
bricht. Die Darmspiegelung gilt daher
als Goldstandard der Darmkrebsvor-
sorge. Für Hamburg gilt, dass etwa 500
Darmkrebstodesfälle pro Jahr vermie-
den werden könnten, wenn alle Per-
sonen mit Blut im Stuhl bzw. späte-
stens mit 55 Jahren zur Vorsorgedarm-
spiegelung gehen würden, so aber
stürzt (bildlich gesprochen) jährlich
ein Jumbo-Jet in die Alster, und nie-
mand regt sich auf.
Fakten zum Darmkrebs: Risiko & Chancen
von Priv.-Doz. Dr. med. Boris Brand, Regionalbeauftragter Stiftung Lebensblicke
Risiko Chancen
• Pro Jahr erkranken mehr als 60.000 Menschen in Deutschland neu • Seit 2002 steht die Darmkrebsvorsorge allen privat- und gesetzlich
an Darmkrebs, jährlich sterben in Deutschland ca. 26.000 Menschen Krankenversicherten zur Verfügung. Spätestens ab 55 J wird die
daran. Darmkrebs ist damit eine der wichtigsten Krebstodesursache Vorsorge-Darmspiegelung angeboten, mit Wiederholung spätestens
für Männer und Frauen. nach 10 J. Die Darmspiegelung ist derzeit der Goldstandard. Die
• Darmkrebs entsteht aus gutartigen Vorstufen (Polypen), diese sind Methode ist in erfahrenen Händen extrem sicher. Die Spiegelung
auch bei beschwerdefreien Menschen über 50 J. weit verbreitet. wird heute in der Regel in Kurznarkose (Propofol ®) und mit druck-
wird die rechtzeitige Entfernung versäumt, bildet sich oftmals loser CO2-Technik durchgeführt. Die Darmreinigung wurde in
Darmkrebs. Wenn Beschwerden auftreten, ist der Krebs dann oft den letzten Jahren erheblich verbessert. Für die Vorsorgedarmspie-
schon fortgeschritten, mit schlechten Heilungschancen. gelung gilt: 14 Männer bzw. 26 Frauen müssen gespiegelt werden,
um eine Krebsvorstufe zu entdecken. Die Polyp-Entfernung kann
die Entwicklung von Darmkrebs zuverlässig verhindern..
• Die Früherkennungs-Darmspiegelung wird allerdings durch die
Diesjähriges Motto Berechtigten bislang unzureichend in Anspruch genommen: In
der Stiftung Lebensblicke zehn Jahren haben sich 20% der Frauen und 18% der Männer un-
zum Darmkrebsmonat März: tersuchen lassen. Langzeituntersuchungen haben gezeigt, dass
selbst durch bei dieser geringen Teilnahme bisher ca. 180.000
Darmkrebs verhindert und ca. 43.000 Karzinome in frühen Stadi-
AKTIV GEGEN DARMKREBS: • Risikogruppen (familiäre Häufung von Krebs, chronische Darm-
en entdeckt werden konnten.
VERMEIDEN STATT LEIDEN! entzündung, Blut im Stuhl) profitieren besonders von einer recht-
zeitigen Darmunstersuchung.