Page 11 - Alsterrundschau Ostern 2025
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Alster Rundschau                             lebensfreude                                                     Seite 11


                              360 Grad MENSCH!
            Das Echo des Hier und Jetzt –

                  ein Drama zum Lernen



                             Es ist ein herrlich   und Jetzt zu sein. Ich fixiere einen Punkt wie ein
                             sonniger Sams-  Anker und atme ganz bewusst immer wieder
                             tagmorgen und   Zuversicht ein und Panik aus. Als ich mit dem
                             fröhlicher Dinge   Fahrrad nach Hause fahre, bin ich schon ruhiger
                             schlendere ich zu   und komme langsam wieder bei mir an. Unfass-
                             Junge Die Bäcke-  bar, was die Gedanken in mir auslösen und Ge-
                             rei an der Rothen-  fühle in Bewegung bringen. Und all das wegen
                             baumchaussee.   Plastikkarten!!!
                             Während ich das   Annahme des IST-Zustandes schafft Verän-
                             tue, habe ich mal   derung
                             wieder mein Han-
           dy am Ohr und höre Sprachnotizen ab. Ich bestel-  Von meinem letzten Bargeld, was ich zum Glück
                                         zuhause habe, gehe ich einkaufen und beginne
           le bei der netten Verkäuferin, zahle, schnappe mir   den IST-Zustand anzunehmen, wie er ist. Das
           die Brötchentüte und laufe, wieder das Handy am   Tolle am IST-Zustand ist, er bleibt nicht so, denn
           Anschlag, doch nun selbst am Reinquatschen, die   er verändert sich, und ich bin aktiv daran beteiligt,
           500 Meter nach Hause. Erst beim Frühstück mit   indem ich bewusst eine andere Haltung dazu
           Spiegelei und Speck bin ich im Hier und Jetzt.   einnehme. Ich esse im Hier und Jetzt erst mal ein
           Gedanken sind Gefühle in Aktion  Stück Seelenkuchen und beginne mich zu ent-
           Gut gelaunt ob der vielen schönen Dinge, die ich   spannen.
           heute tun möchte, kündige ich meiner Tochter an,   Das Echo darauf klingelt um 17.35 Uhr in meinem
           einkaufen zu gehen. Ich suche alles zusammen,   Handy. „Sind Sie Frau Schumann? Ich glaube,
           was ich dafür brauche, und stelle plötzlich mit   ich habe Ihr Portemonnaie gefunden.“ Sie fragt
           Entsetzen fest, dass mein Kartenetui, mit dem ich   mich nach meinem Geburtsdatum, um mich zu
           gerade noch Brötchen kaufen war, nicht da ist.   identifizieren. Ich kann mein Glück kaum fassen.
           Personalausweis, Führerschein, Krankenkassen-  Sie steht vor der U-Bahn Hallerstraße und ich
           karte, Kreditkarte sowie Bankkarten. Meine   bitte sie dort zu warten, schnappe mir mein ver-
           ganze Identität steckt dort drin. Jeder weiß, was   bliebenes Geld vom Einkauf und sause überglück-
           das heißt. Panik steigt in mir hoch und ich werde   lich los. Meine Tochter steht auf dem Balkon und
           Minute um Minute hektischer und nervöser. Ka-  schaut sich das Glücksszenario live an. Das ist
           thrin, atme! Probiere ruhig zu bleiben und denk   besser als Netflix. Sie überreicht mir das Kartene-
           nach, was als nächstes zu tun ist, doch keine Chan-  tui und überglücklich falle ich ihr um den Hals
           ce, die Gedanken, die ich weiterdenke, bauen   und drücke sie ganz fest. Sie freut sich, da ich mich
           innerlich einen Tornado an Gefühlen auf. Ich   so freue, da auch sie aus eigener Erfahrung weiß,
           spüre, wie der innere Widerstand dem inneren   was das bedeutet. Sie berichtet mir, dass sie das
           Antrieb gegenübersteht und immer mehr Panik   braune Lederetui zwischen den Blättern am Weg-
           in mir hochkommt. Ich renne hektisch nach drau-  rand der Rothenbaumchaussee entdeckt und
           ßen und laufe den gesamten Weg bestimmt fünf   aufgehoben hat. Sie hat die Karten rausgeholt, die
           Mal hin und her und suche nach dem Etui. Nichts.   teils mit Bildern ausgestattet sind, googelt meinen
           Es ist wie auf dem Frühlingsdom, nur fahren mei-  Namen im Internet und es poppt meine Webseite
           ne Gefühle mit mir Achterbahn. Ich schimpfe mit   mit Bildern auf. Sie wusste sofort: „Das ist die
           mir selbst, dass ich so unachtsam war, verfluche   Frau!“ und ruft mich über meine Webseite an.
           das Handy, von dem ich mich habe ablenken las-
           sen, und dadurch nicht im Hier und Jetzt war.   Ehrlichkeit im Hier und Jetzt
           Immer wieder sensibilisiere ich Menschen für   Ich bin so dankbar über solch achtsame und ehr-
           Achtsamkeit und habe heute selbst versagt. Ich   liche Menschen wie sie es ist. Als ich ihr das Geld
           bin auch nur ein Mensch, tröstet mich die Erwach-  als Dank in die Hand drücke, will sie ist es erst
           sene, doch das Kind in mir dreht bei dem Gedan-  nicht nehmen, doch es ist mir wichtig, ihr das zu
           ken an die „verlorene Identität“ fast durch. Mitt-  geben. „Kaufen Sie sich einen großen Blumen-
           lerweile laufen mir die Tränen heiß die Wangen   strauß davon!“, rufe ich ihr fröhlich zu und laufe
           runter. Ich weiß gar nicht, was ich als Erstes   strahlend nach Hause. Als ich unter unserem
           machen soll. Karten sperren, Polizei anrufen und   Balkon langlaufe, ruft meine Tochter schon von
           dann beginnt die Odyssee im Internet nach den   oben: „Die nächste Kolumne ist coming …“, und
           entsprechenden Nummern. Zum Glück gibt es   hier ist sie. Ich widme sie dieser wunderbaren
           liebe Nachbarn, die mir helfen! Der Gedanke,   Frau, die mir diesen Tag am Ende gerettet und
           alles neu zu beantragen, die ganze Rennerei, die   zum schönsten Tag im ganzen Monat gemacht
           damit verbundenen Kosten lassen mich erneut   hat. Danke!
           aufschluchzen und das Schlimmste: selbst erschaf-
           fen. Durch Unachtsamkeit.     Mein Learning: Ich treffe jeden Tag bewusst die
           Gedankenchaos überwinden: Atmen als Ret-  Entscheidung kein Handy zu nutzen in der Bewe-
           tungsanker
                                         gung und ganz achtsam im Moment zu sein.
           60 Minuten und 4 Anrufe zur Kartensperrung   .
           später sitze ich wie ein Häufchen Elend bei der   Von Herzen,
           Polizei. Während die junge Polizistin alles auf-
           nimmt, schaue ich nach draußen und denke dar-  Deine Kathrin
           an, wie es heute Morgen war, als ich so fröhlich
           und dankbar aufgewacht bin. Da war meine Welt   Kathrin Schumann
           noch in Ordnung. Das Universum wusste schon,   0172-844 93 26
           welches Drama keine Stunde später losgehen   kontakt@kathrinschumann.de
           wird. Ein Drama zum Lernen, achtsam im Hier   www.kathrinschumann.de
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