Page 18 - Alsterrundschau Februar 2019
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Seite 18                     GESUNDHEIT & WOHLBEFINDEN                                                Alster Rundschau

                                        Veranstaltung im St. Markus Seniorenzentrum
           Wege aus der Pflegekrise in eine würdevolle Zukunft


                                               sich meist bis zur Erschöpfung aufopfernden Men-  wesenden die Situation, wie sie in Hamburg derzeit
                                               schen selbst in schwierige finanzielle Situationen.   aussieht. Auch der Bundestagsabgeordnete Niels
                                               Viele sind hin- und hergerissen zwischen ihrem ei-  Annen nahm dazu Stellung. Die Fragen aus dem Pu-
                                               genen Leben, und der Pflege, durch die ihnen häufig   blikum zeigten aber, dass noch Luft nach oben ist, um
                                               die Zeit fehlt, im eigenen Beruf finanziell aufsteigen   die Situation weiter zu verbessern. Welche Schraube
                                               zu können. Wenn diese Gruppe der pflegenden Men-  an welcher Stelle von wem und wie weit gedreht
                                               schen älter wird und selber Pflege benötigt, ist die   werden müsste, kann derzeit so richtig wohl niemand
                                               vorsorgliche Absicherung für das Alter meist dafür   sagen. Dr. Cornelia Heintze machte in ihrem fundier-
                                               schnell verbraucht. Diesen Personen droht an dieser   ten Vortrag die Zuhörer darauf aufmerksam, dass ein
                                               Stelle eine Zukunft, in der sie selbst zum Sozialfall   steuerfinanziertes Modell als ein Finanzierungsmo-
                                               werden könnten und wiederum für die eigene Pflege   dell der Zukunft vorstellbar wäre. Grit Genster von
                                               nicht aufkommen können. Ein Teufelskreis, aus dem   Ver.di hingegen setzt sich für eine Pflegevollversi-
                                               niemand derzeit eine Lösung weiß.       cherung ein. Die beiden bundesweit kompetenten
                                                  Die Pflegekrise betrifft aber auch die Pflegeein-  Expertinnen sind sich offensichtlich nicht einig und
                                               richtungen sowie das Pflegefachpersonal. Bei stei-  gehen eine womögliche Lösung mit unterschiedlichen
                                               gender Zahl der Pflegebedürftigen bedarf es weiterer   Argumenten an. Derzeit sind sich die Experten teil-
                                               Pflege-Einrichtungen, Tagespflegeangebote, Wohn-  weise einig, also eher punktuell. Wie aber sollen schon
                                               gruppen oder anderer Formen der Pflegeangebote.   heute alle Betroffenen sich auf einen Weg in die Zu-
                                               Hierfür entstehen Kosten, die gedeckt werden müssen.   kunft begeben, bei der die Aussicht auf eine gute und
                                               Doch woher kommt dieses dafür benötigte Geld?   gerechte Pflege derzeit am Ende noch fehlt?
                                               Zusätzliches Pflegefachpersonal muss ebenso aus-  Immer wieder greift die Politik das Thema auf.
                                               gebildet wie weitergebildet werden. Faire Löhne   Doch die Ergebnisse, wie und wo geholfen werden
                                               müssen bezahlt werden für jene Menschen, die sich   kann, reichen meistens nicht aus, um das Dilemma
        Wolfgang Janzen, Leiter Seniorenzentrum St. Markus,
        Regionalleiter Martha Stiftung – Seniorenwohnungen   dieser Aufgabe beruflich widmen. Wiederum mit dem   für alle Seiten zu lösen. Vielleicht noch nicht. Viel-
        mit Service Mitte/West, Geschäftsführer Ambulante   Hinweis darauf, dass auch diese Menschen bei Un-  leicht in naher Zukunft. Am besten aber möglichst
        Pflege St. Markus in der Martha Stiftung, Ev. Diako-  terbezahlung in eine Krise rutschen, wenn auch sie   bald oder schon heute. Rennt die Zeit doch im Sekun-
        niezentrum Rahlstedt und Diakoniestation Flottbek-  selbst mal auf Pflege angewiesen sein werden.  dentakt dahin und verbessert nicht die Situation jener,
        Nienstedten                               Pflege geht uns ja bekanntlich alle an. Wir alle   die heute bereits auf Pflege angewiesen sind. Es gilt
                                               werden älter. Können krank werden oder einen Unfall   Lösungen zu finden. Gemeinsam. Haben die skandi-
          Mit einer engagierten Diskussionsrunde endete   haben und auf pflegerische Unterstützung angewie-  navischen Länder oder beispielsweise die Niederlan-
        die öffentliche Veranstaltung am 6. Februar zum The-  sen sein. Wir alle wollen in Würde altern. Schon im   de wieder einmal in sozialen Belangen die Nase vorn?
        ma: „Wege aus der Pflegekrise in eine würdevolle   Grundgesetz steht: „Die Würde des Menschen ist   Sind deren Lösungen, dass sich die Kommunen, wie
        Zukunft“ im „St. Markus Seniorenzentrum“. Einge-  unantastbar“, doch wie würdig oder unwürdig geht   im Vortrag von Dr. Cornelia Heintze erwähnt, für die
        laden hatten vier Veranstalter: „Freundeskreis und   es zu in unserem Land?    Übernahme der Pflegekosten einsetzen, ein gutes
        der Förderkreis St. Markus Seniorenzentrum“, die   Zu der Veranstaltung in das St. Markus Senioren-  Modell? Um die passenden Antworten zu finden, gilt
        Vereine „Pflege in Bewegung“ und  „Wir pflegen“.  zentrum kamen nicht nur deren Bewohner, sondern   es weitere Informationen zu analysieren und eine
                                               ein zudem ein interessiertes Fachpublikum sowie   Reihe von Entscheidungen zu treffen. Alle Beteilig-
          Der fast bis auf den letzten Platz gut besuchte   Personen, die sich bereits heute mit dem Thema Pfle-  ten sollten idealerweise ihre Argumente vorlegen, um
        Abend befasste sich mit dem gemeinsamen aufmerk-  ge und Finanzierung ganz privat auseinandersetzen.   dann, bundesweit und dennoch individuell gerecht,
        sam machen der jetzigen Pflegesituation und der   Einmal, um sich selbst über das Thema zu informie-  genau die optimale Lösung zu finden, die in den Köp-
        Suche nach Lösungen zur besseren Finanzierung der   ren, zum anderen, weil sie als Angehörige bereits   fen bereits teilweise vorhanden ist, die aber als ein
        Pflege. Dabei ging es um das Finden von Antworten   Familienmitglieder pflegen. Dies wurde in den Fra-  gewünschter „großer Wurf“ für eine nachhaltige und
        auf Fragen wie: Was tun, wenn jemand in der Familie   gerunden zwischen den Vorträgen immer wieder   langfristige Verbesserung der Pflegesituation wohl
        oder gute Freunde heute oder später auf Pflege ange-  deutlich. Cornelia Prüfer-Storcks, die Senatorin für   nicht so schnell umsetzbar ist.
        wiesen sind? Wie kann jenen Menschen geholfen   Gesundheit und Verbraucherschutz, erklärte den An-  Text/Fotos: Ute Laukner
        werden? Wer hilft überhaupt? Wer finanziert heute
        auf welche Weise die Kosten für die Pflege? Wie
        gehen die politischen Parteien mit diesem Thema in
        unserem Land um? Lohnt sich an dieser Stelle viel-
        leicht ein Blick über den Tellerrand, um womöglich
        von anderen Ländern und deren Lösungsangeboten
        zu lernen?
          Angesichts der demografischen Entwicklung wird
        in den kommenden Jahren die Zahl derjenigen steigen,
        die zukünftig auf Pflege angewiesen sein werden.
        Diejenigen, die sich mit dem Thema Pflege und deren
        Kosten auseinandersetzen müssen, sind aber nicht
        nur ältere Menschen. Denn auch Kinder und jüngere
        Menschen könnten durch Krankheit oder einen Unfall
        auf Pflege angewiesen sein und die Frage der Kosten
        betrifft sie daher ebenso. Angehörige, die jemanden
        aus familiären oder freundschaftlichen Gründen her-
        aus pflegen, stoßen schon längst an ihre Grenzen.
        Mehrkosten und zu geringe Zuschüsse bringen diese   Mitarbeiter vom Verein „Pflege in Bewegung“ an deren Informationsstand
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