Page 7 - Alsterrundschau Ostern 2017
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Alster Rundschau · Sylt Special      LIST – KRABBENFISCHER                                                     Seite 7






           Die Krabben hüpfen über das Netz

                                                                       schen?,“ wende ich mich an Paul und   mit Salzwasser zu reinigen. Aufstei-
                                                                       versuche zu ergründen, warum ich mir   gender Wasserdampf zeigt an, dass das
                                                                       die Nacht um die Ohren schlage! Der   Meerwasser im Kocher seinen Siede-
                                                                       hat die Antwort sofort bereit und klärt   punkt erreicht hat und eine erste Ladung
                                                                       mich auf: „Junge, wenn es hell ist, kön-  unserer nächtlichen Arbeit landet mit
                                                                       nen die Krabben den Schatten wahr-  ein wenig Salz im Topf. Bald erfüllt der
                                                                       nehmen und springen dann richtig über   köstliche Duft von frisch gekochten
                                                                       den Anfang vom Netz hinweg.“   Krabben das Steuerhaus und die Vor-
                                                                         Über eine Stunde verrinnt über die
                                                                       Geschichten von Paul und dem nicht
                                                                       satt sehen können an den Lichtern von
                                                                       List auf Sylt und den Leuchttürmen auf
                                                                       dem Ellenbogen. Eine erste Spur von
                                                                       Morgenröte lässt sich am östlichen
                                                                       Himmel ausmachen und Paul drosselt
             „Moin, ich bin Paul!“, begrüßt   schen Nachbarinsel Röm erstrahlt noch   die Maschine leicht runter. Zeit das Netz
           mich eine Stimme von irgendwo un-  ein tagheller Punkt, der sich später als   aus der Tiefe zu ziehen und zu schauen,
           terhalb der menschenleeren Mole am   Fähre des Sylt-Express herausstellt.   welche Mengen an Krabben wir heute
           Hafen. Ein Blick nach unten zeigt, dass   Nach wenigen Minuten zeigen die Ge-  am Meeresboden fangen konnten. Be-
           ein kleiner Kutter unterhalb der Mole   räte im Steuerhaus an, dass der Mee-  vor die Winden anfangen die Trosse mit
           am Reibepfahl vertäut liegt. Darauf ein   resboden mehr als zehn Meter unter
           wettergegerbter Mann mit breitem   uns liegt – also Zeit, das Netz des Kut-
           Lachen in Ölzeug verpackt und mit   ters in die See abzulassen.  Als ein                 freude auf die Verkostung steigt. La-
           Gummistiefeln ausgestattet. Am Heck   Großteil des Netzes in dem schwarzen               dung um Ladung der kleinen Mee-
           und an der Seite des kleinen Kutters   Wasser verschwunden ist, fängt das                restierchen wandert in den Kocher, wird
           „Tümmler“ hängen verzurrte Netze an   Boot an auf dem Wasser zu tänzeln,                 nochmal gereinigt und landet endlich
           metallenen Vorrichtungen, darunter ein   nach links und rechts zu ziehen und             im orangen Fangkorb. Und während
           kleiner Kocher und viele bunte Plastik-  sich zu drehen. Paul scheint darüber            die langsam aufsteigende Sonne das
           körbe für den Hol (für die Leichtma-  nicht sonderlich beunruhigt – er justiert          schwarze Meer in dunkelblaue See
           trosen unter uns: der Fang). Es ist zwei   das Netz und kommt dann ganz ent-             verwandelt, dürfen endlich die frischen
           Uhr morgens am Lister Hafen.  spannt wieder nach vorne ans Steuer.                       Krabben probiert werden. Welch ein
                                           Das Netz muss jetzt die Arbeit er-                       Frühstück mitten auf dem Meer!
                                         ledigen und im Steuerhaus findet sich
                                         Zeit für Seemannsgarn und Geschich-
                                         ten von früher. Damals, als der Lister   dem Netz aufzurollen, entzündet Paul
                                         Hafen noch dem Bund gehörte, in der   noch ein Feuer in dem kleinen Kocher,
                                         Tonnenhalle im Winter noch die Ton-  damit die Krabben aus unserem Hol
                                         nen (Seezeichen) gelagert wurden,   gleich gekocht werden können. Lang-
                                         Künstlernaturen Gemälde vom Wat-  sam arbeiten die Winden Runde um
                                         tenmeer in kleinen Ateliers erschufen   Runde die Ketten nach oben und
                                         und zwei kleine Büdchen Fischbröt-  schließlich durchbricht ein prall gefüll-
                                         chen und auch Marmeladenbrote feil   tes Netz die Wasseroberfläche.  Endlich
                                         boten. Manche Geschichte von Eitel-  an Bord des Kutters geholt füllt das
                                         keiten, Stolz und der großen Politik   geöffnete Netz den Behälter für den
                                         unterhalten die Leichtmatrosen, wäh-  Fang voll aus – neben tausenden kleinen
             Nach einem kurzen Technikcheck   rend die Maschine gleichmäßig tu-  Krabben auch kleine Fische und bunte
           an den Geräten für die Navigation star-  ckernd das Boot durch die Nacht und   Seesterne. Dank der Fischtrennmaschi-  Nachdem die letzte Ration gekocht,
           tet Paul die Maschine und wir tuckern   über das Wattenmeer steuert. „Warum   ne landet, was nicht in den Hol gehört,   das Deck wieder aufgeklart und unser
           langsam auf die Ausfahrt des Hafens   müssen wir eigentlich mitten in der   gleich wieder in seinem Element und   Hol gut verstaut ist, wendet Paul den
           zu. Sobald die Lichter des Hafens hin-  Nacht raus um die Krabben zu fi-  Paul fängt an die gefischten Krabben   Bug unseres Kutters wieder gen Hafen
           ter uns schwächer werden, umspielt                                                       List auf Sylt. Fast wie von allein findet
           nur noch die schwarze See unseren                                                        der „Tümmler“ den Weg zurück Rich-
           Kutter. Die Gischtkronen der Wellen                                                      tung Liegeplatz und durchfährt sicher
           leuchten ein wenig heller, aber der                                                      die Strömung vorm Hafeneingang. Die
           schmale Mond und die klaren Sterne                                                       Taue werden festgezurrt und das Er-
           beleuchten nur sehr mäßig unsere Hol-                                                    gebnis unseres nächtlichen Abenteuers
           fahrt. Den Kurs haben wir gen Däne-                                                      an Land gehievt. Es ist halb sieben Uhr
           mark nach Osten eingeschlagen und                                                        morgens am Lister Hafen. Mit dem
           zur Orientierung dienen die grünen und                                                   Lieferverkehr erwacht der Hafen lang-
           roten Lichter der Markierungstonnen                                                      sam zum Leben. Zeit mit frischen Bröt-
           sowie das Leuchtfeuer der beiden Lis-                                                    chen nach Hause zu kommen.
           ter Leuchttürme auf dem Ellenbogen.                                                        Fotos: Kurverwaltung List auf Sylt,
           Am Horizont in Richtung der däni-                                                        Manfred Koch, Text: Boris Ziegler
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