Page 9 - Alsterrundschau August 2021
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Alster Rundschau KULTURELLES Seite 9
21. AUGUST – 31. OKTOBER 2021, SAMMLUNG FALCKENBERG/DEICHTORHALLEN HAMBURG
Aby Warburg: Bilderatlas Mnemosyne – das Original
Domenico Ghirlandaio: Fresko, Santa Maria Novella,
Nach Andrea Mantegna (Umkreis): Faun im Kampf mit Florenz, Detail mit der Schalenträgerin, die von War-
Aby Warburg in Neapel, 1929 einer Schlange, 1446–1506, Tusche auf Papier, 29 x 17,2 burg als verwandelte „Ninfa“ identifiziert wurde, sie-
Foto: František Pospíšil cm, British Museum, London, Tafel 37 | 15, Courtesy The he Tafel 46 | 6a, Vintage Fotografie, Alinari um 1925
Courtesy The Warburg Institute Warburg Institute Courtesy The Warburg Institute
Mit der Ausstellung ABY WARBURG: BILDER- bildungen von Tafeln aus einer früheren Fassung zu Darboven, Albert Oehlen, Ed Ruscha oder Elfie Se-
ATLAS MNEMOSYNE. DAS ORIGINAL kommt sehen, die bisher nur im Archiv des Warburg Insti- motan – im Dialog mit Warburgs Prinzipien verglei-
Aby Warburgs berühmter Bilderatlas zurück nach tute zugänglich waren: Sie gehören zu der vorletzten chender Bildordnungssysteme zu sehen sein. Ergän-
Hamburg in Warburgs Geburtsstadt und wird vom Version des Atlas, die im Spätsommer 1928 entstan- zend zum Bilderatlas Mnemosyne kann diese Er-
21. August – 31. Oktober 2021 in der Sammlung den ist, und werden in großen Fotoabzügen von den weiterung als Parallele zur Genese der polyfokalen
Falckenberg zu sehen sein. Der »Bilderatlas Mne- schwarzweißen Originalnegativen präsentiert. Strategie der Sammlung Falckenberg angesehen
mosyne« zählt bis heute zu den weltweit bedeutend- Der Bilderatlas Mnemosyne bestand in seiner werden.
sten kunsthistorischen Forschungsprojekten und letzten Version aus 63 großen schwarzen Tafeln, auf Die Ausstellung wird aus Bundesmitteln geför-
wurde von Axel Heil und Roberto Ohrt in Zusam- denen Warburg fotografische Reproduktionen von dert. Rüdiger Kruse, MdB betont: »Mir war wichtig,
menarbeit mit dem Warburg Institute, London, re- Kunstwerken aus dem Nahen Osten, der europä- dass dieser mit Mitteln des Parlaments der vom Haus
konstruiert. ischen Antike und der Renaissance neben zeitgenös- der Kulturen der Welt (HKW, Berlin) gehobene
Der Bankierssohn Aby Warburg (1866–1929) sischen Zeitungsausschnitten und Werbeanzeigen Schatz auch an dem Ort gezeigt wird, an dem er
wandte sich nach seinem Studium der Kunstgeschich- anordnete. In den Jahren vor seinem Tod 1929 expe- entstanden ist.«
te schon früh von der damals verbreiteten Genre- und rimentierten Warburg und seine engsten Des Weiteren wird die Ausstellung in Hamburg
Zeitzuordnung von Kunst ab und untersuchte die Mitarbeiter*innen Gertrud Bing und Fritz Saxl mit von THE NEW INSTITUTE Foundation und der
Wechselwirkungen von Bildern aus verschiedenen der Form und Funktion des Bilderatlas. Ihr Ziel war Martha Pulvermacher Stiftung (beide Hamburg), der
Epochen und kulturellen Kontexten. Er entwickelte eine Publikation, die für die Diskussion zwischen M.M.Warburg & Co. Bank sowie dem Förderkreis
den »Bilderatlas Mnemosyne«, um die Einflüsse der Expert*innen ebenso wie für das breitere Publikum der Deichtorhallen Hamburg unterstützt. Begleitend
Antike auf die Renaissance und weit darüber hinaus gedacht war. Der 2020 zur Ausstellung von Roberto zur Ausstellung findet ein Veranstaltungsprogramm
bildlich darstellbar zu machen. Bereits im Entste- Ohrt und Axel Heil konzipierte und zusammen mit in Kooperation mit dem Museum am Rothenbaum.
hungsprozess entwickelte sich der Atlas damit zu dem Warburg Institute realisierte gleichnamige Fo- Kulturen und Künste der Welt (MARKK) und dem
einem Erkenntnisinstrument. Warburgs Methode lio erschien bei Hatje Cantz, Berlin, und gewann Warburg-Haus Hamburg statt.
setzte neue Maßstäbe: Die neue Form der Anordnung noch im gleichen Jahr den »Book of the Year Award«
kanonisierter Bilder überschritt die Fachgrenzen des Apollo Magazine, London.
zwischen Kunstgeschichte, Philosophie und Anthro- Warburgs Ideen und Beobachtungen, etwa die
pologie und war grundlegend für die heutigen Dis- »Pathosformel« zum Verständnis des emotionalen
ziplinen der Bild- und Medienwissenschaften. Die Gehalts bestimmter Motive unabhängig von Entste-
von Axel Heil und Roberto Ohrt gemeinsam mit dem hungszeit und -ort, legten den Grundstein für War-
Warburg Institute London kuratierte und vom Haus burgs interdisziplinäre Forschung. Der von Warburg
der Kulturen der Welt in Berlin produzierte Ausstel- geprägte Begriff der »Bilderfahrzeuge« beschreibt
lung stellt die letzte dokumentierte Version des Atlas die historischen Wanderungsbewegungen von Zei-
von Herbst 1929 nahezu vollständig mit den Origi- chen, Mustern und Motiven und ihren Bedeutungs-
nalabbildungen wieder her: Der größte Teil der ori- wechseln über kontinentale und kulturräumliche
ginalen, teils mehrfarbigen 971 Abbildungen wurde Grenzen hinweg. Sein innovativer Umgang mit dem
in der ca. 450.000 Objekte umfassenden »Photogra- Bildgedächtnis bietet auch heute noch Inspiration
phic Collection« des Warburg Institute wieder auf- und alternative Routen durch eine von visuellen Me-
gefunden. Zum ersten Mal nach Warburgs Tod kann dien bestimmte Realität. In diesem Kontext wird
damit sein Hauptwerk, die 63 Tafeln des Atlas, in der eine gemeinsam mit den Kuratoren getroffene Aus- Aby Warburg: Beispiel für einen Zettelkasten
final überlieferten Konstellation präsentiert werden. wahl zeitgenössischer Werke von Künstler*innen Foto: Wootton / fluid
Außerdem sind erstmalig 20 großformatige Ab- aus der Sammlung Falckenberg – wie etwa Hanne Courtesy The Warburg Institute