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Seite 6 SPECTRUM AM UKE Alster Rundschau
Auf den ersten Blick könnte man denken, dass die Coronapandemie
zu einem Rückgang anderer Erkrankungen geführt hat
Insbesondere während der Lockdowns sind die Zahlen neue Lücken in der Versorgung. Die zurückgegangene Zahl sern mit Corona anzustecken. Berichte von überlasteten
für Herzinfarkte, andere schwere Herzkreislauferkrankun- der Patienten in den Krankenhäusern und Arztpraxen führ- Intensivstationen, steigenden Coronafällen und fehlender
gen oder behandelte Tumorleiden deutlich zurückgegangen. te dazu, dass viele Behandlungen chronischer Erkrankungen Schutzausrüstung schrecken von einem Arztbesuch ab. Das
Die Zahl kranker Menschen die einen Arzt aufsuchten, hat wie z.B. erhöhter Blutdruck, Asthma, Herzschwäche oder gesamte Gesundheitssystem scheint sich gerade fast aus-
in nahezu allen Fachbereichen der Medizin (ausgenommen Krebserkrankungen abgebrochen oder zumindest nicht in schließlich um Corona zu kümmern. Die Idee sich mit dem
der Intensivmedizin) deutlich abgenommen. der vorhergehenden Konsequenz fortgeführt wurden. Un- eigenen Anliegen zurückzuhalten, um das Gesundheitssy-
„So erfreulich diese Entwicklung auf den ersten Blick ter den gegebenen Umständen schreiten die Erkrankungen stem zu entlasten, ist nachvollziehbar. „Das bringt uns alle
erscheint, desto erschütternder ist das Bild bei genauerer schnell fort. Der Gesundheitszustand der betroffenen Men- in Teufelsküche“ beklagt jedoch Dr. Wesolowski. „Egal
Betrachtung.“ berichtet Dr. Ryszard Wesolowski Internist schen verschlechtert sich entsprechend. welcher Grund den Menschen von dem Arzt fernhält: Am
und Kardiologe aus Hamburg Eppendorf. „ Hier zeigt sich Es wächst jedoch noch eine weitere Sorge. Durch die Ende können sich daraus schwerewiegende Folgen ergeben,
eine zum Teil gravierend vernachlässigte medizinische deutlich zurückgegangenen und zwischenzeitlich komplett die für den Einzelnen schlimmer sind als eine Corona-Er-
Versorgung während der Pandemie“. eingestellten Vorsorgeuntersuchungen werden viele Krank- krankung. Wenn wir die ausstehenden und aufgeschobenen
Schon während der ersten Pandemiewelle zeichnete heiten nicht rechtzeitig erkannt. So ist die Zahl der vorstel- Untersuchungen und Behandlungen weiterhin vor uns
sich in der Notfallversorgung eine eindeutige Tendenz ab. ligen Tumorpatienten laut der Deutschen Gesellschaft für herschieben, wird das zu einer Zunahme der Sterblichkeit
Es kamen weniger Patienten ins Krankenhaus als in den Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) in im Bereich der Krebs- und Herzkreislaufmedizin führen.“
Vergleichsmonaten der zurückliegenden Jahre. Die Zahl einzelnen Institutionen um 30 bis 50 Prozent gesunken. Vor Ärztliche Fachgesellschaften und Verbände wie der
der behandelten Herzinfarkte hatte um bis zu 30% abge- allem Patienten mit frühen Tumorstadien, die im Rahmen Verband der niedergelassenen Ärzte (Virchowbund), aber
nommen. Hinter den zurückgegangenen Zahlen zeigt sich einer Vorsorgeuntersuchung erkannt werden, kommen ge- auch das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) und die
jedoch eine höhere Sterblichkeit beim Herzinfarkt, was rade seltener in die Kliniken. Dr. Wesolowski spricht von Deutsche Herzstiftung appellieren Menschen mit anderen
dafür spricht, dass keine rechtszeitige Versorgung stattge- einem immensen Schaden für die betroffenen Menschen. Erkrankungen als Corona nicht aus dem Blick zu verlieren.
funden hatte. Auch die Zeit von Symptombeginn bis zur „Diagnostik und Therapie verzögern sich, dabei wird häufig „Die medizinische Versorgung hat während der Pande-
Behandlung im Krankenhaus hat sich mehr als verdoppelt. der Moment in dem eine Erkrankung noch heilbar ist verpasst. mie gelitten.“, sagt Dr. Wesolowski. „Wir müssen es schaf-
Eine verzögerte Behandlung eines Herzinfarktes erhöht Dies gilt jedoch nicht nur für die Onkologie / Krebsmedizin.“, fen den Menschen die entstandene Scheu vor dem medizi-
nicht nur die Sterblichkeit, sondern auch die Zahl schwerer so der Mediziner. „Auch ein nicht erkannter hoher Blutdruck, nischen Sektor zu nehmen und das Vertrauen in die Sicher-
Folgeschäden, wie z.B. einer verbleibenden schweren Herz- erhöhte Bluttfette oder ein nicht behandelter Diabetes mel- heit des Versorgungssystems wieder herstellen.“
schwäche. Parallel dazu ist die Zahl der am Herzinfarkt litus führen zu einer Schädigung des Gefäßsystems und der Inzwischen sind alle Einrichtungen auf die Pandemi-
verstorbenen Menschen außerhalb der Kliniken gestiegen. Organe. Diese Schäden wird man nachträglich nicht mehr elage eingestellt. Es liegen Hygienekonzepte vor und
„Grund dafür ist die aus der Pandemie erwachsene Scheu in dem Ausmaß korrigieren können.“ Schutzausrüstung ist im vollen Umfang vorhanden. Zudem
einen Arzt oder eine medizinische Institution aufzusuchen“ Die Gründe eine Arztpraxis oder das Krankenhaus zu sind die meisten Mitarbeiter geimpft, was eine zusätzliche
erklärt Dr. Wesolowski. meiden sind vielfältig und auch verständlich. In erster Linie Sicherheit für die Patienten und das medizinische Personal
Aber auch außerhalb der Notfallversorgung zeigen sich besteht die Sorge sich in den Arztpraxen und Krankenhäu- mit sich bringt.
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